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um 1900
Odenheim um die Jahrhundertwende: Das Steinhauerhandwerk erlebt seine letzte große Blüte; daneben bietet vor allem die aufkommende Tabakindustrie eine stattliche Zahl an, allerdings schlecht bezahlten, Arbeitsplätzen; beim Bahnhofsgelände betreibt die jüdische Familie Basnitzki eine „mechanische Möbelschreinerei“. Dominierend ist jedoch nach wie vor die Landwirtschaft. Die erste Dreschmaschine kommt nach Odenheim. Das ländlich geprägtes Handwerk und Gewerbe florieren.
1903/05
An der Stelle des alten wird das markante neue Rathaus errichtet
1906
Der erste Odenheimer Autobesitzer ist der Schmiedemeister Reinhard Hassis.
1907
Als die Unterbringung der Kinderschule und der Nähschule im Hintergebäude der „Burg“ nicht länger zu vertreten ist, erhält Odenheim ein neues Schwesternhaus mit Kindergarten in der Schulstraße.
1908
Nachdem die Verhandlungen mit dem Oberrheinsichen Elektrizitätswerk in Wiesloch wegen einer Elektrifizierung von Odenheim gescheitert sind, sorgt ein Gaswerk in der Kohlplatte dafür, dass Odenheimer Haushalte mit Gas (bzw. Gaslicht) versorgt werden.
1909–12
Im Jahre 1909/10 wird die zu klein gewordene Pfarrkirche St. Michael durch einen neubarocken Anbau in großem Stil erweitert und erhält ihre heutige Gestalt. Ein neuer Turm (65 m) ersetzt den alten (30 m) und überragt Dorf und Flur.
Mit 10000 Reichsmark beteiligt sich hierbei die politische Gemeinde und löst damit ihre althergebrachte Unterhaltspflicht für den Kirchturm ab.
Die Gebrüder August, Adolf und Emil Hemberger, aus Odenheim stammende Kirchenmaler, gestalten den Innenraum, vor allem die Deckengemälde, prachtvoll.
Das in unmittelbarer Nähe zum Gotteshaus gebaute Pfarrhaus wird 1910 fertig gestellt und fügt sich harmonisch in das Gesamtbild ein.
Die Orgel mit 36 Registern wird im Jahre 1912 angeschafft.
Im Gefolge der gelungen Kirchenerweiterung und -renovation wird Pfarrer Siebold,
der sich auch um das Vereinsleben verdient gemacht hat, zum Odenheimer Ehrenbürger ernannt.
1908/10/13
1908 wird der Turnverein gegründet.
1909 ruft Pfarrer Siebold den Jünglingsverein ins Leben, der durch Theateraufführungen glänzt.
1910 folgen zunächst zwei Fußballvereine (Teutonia und Viktoria) und das Rote Kreuz. Das politische Leben wird mitgeprägt durch den dem Zentrum nahestehenden Bürgerverein sowie einen SPD-Ortsverein.
1913 wird die katholische „Jungfrauenkongregation“ gegründet.
1910–14
Franz Hörner, Mechaniker bei der Firma Benz in Mannheim, der zuvor bereits mit einem Hochrad für Aufsehen in Odenheim gesorgt hatte, erringt als Benz-Rennfahrer internationale Erfolge und ist auf den Rennstrecken der Welt (in Belgien, Argentinien, Russland, Spanien) am Start.
1914–18
Der Beginn des 1. Weltkrieges löst auch in Odenheim Euphorie aus, die sich zu Kriegsende in tiefe Niedergeschlagenheit wandelt. Die Kriegsbilanz: 127 Gefallene, 11 Vermisste. In den bedeutenden lokalen Erwerbszweigen, dem Steinhauergewerbe und den Zigarrenfabriken, kommt die Produktion weitgehend zum Erliegen. Angesichts des Kriegsverlaufs sowie infolge von Hunger, Ruhr- und Grippeepedemien der letzten Kriegsjahre macht sich tiefe Depression breit.
1918/19
Mit dem Krieg endet auch das Kaiserreich. Die ersten demokratischen Wahlen zur badischen und zur reichsdeutschen Nationalversammlung im Januar 1919 ergeben in Odenheim für das Zentrum mehr als 50%, für die SPD knapp 40%.
Bei einer hohen Wahlbeteiligung von annähernd 90% bringt die überwältigende Mehrheit der Odenheimer Wähler ihren Wunsch nach einer repräsentativen Demokratie und gegen Adelsherrschaft und Rätesystem zum Ausdruck.
1919/20
Odenheim wird endgültig elektrifiziert und erhält elektrisches Licht. Bald darauf entstehen in Bahnhofsnähe die Bolich-Werke zur Produktion elektrischer Zweckleuchten.
1921–23
Noch einmal sorgt der Rennfahrer Karl Hörner für Furore, als er auf der Avus, in Monza, in London oder Wien an den Start geht.
1924 ff
Nach überstandener Inflation (1923) geht es wieder bergauf.
Die Bautätigkeit nimmt zu, neue Bebauungen entstehen ortsauswärts entlang der Schulstraße, der Rathausstraße sowie der Eppinger Straße und der abzweigenden Wolfgangstraße.
Neben der Landwirtschaft, dem Handwerk und dem Kleingewerbe bieten vor allem die Zigarrenfabriken, das Bolichwerk sowie die neu gegründete Kleiderfabrik Mattern Beschäftigung.
1925
In Odenheim gibt es 515 landwirtschaftliche Betriebe, 7 Fabriken, 23 selbstständige Kaufleute, 30 selbstständige Handwerksmeister, 439 Arbeiter (davon 254 weiblich), wovon nur 18 außerhalb des Wohnortes ihrer Tätigkeit nachgehen. Odenheim hat 2494 Einwohner, 583 Haushaltungen und 379 Wohngebäude. Das Dorf verfügt über einen Arzt, einen Dentisten, 2 Hebammen, einen Tierarzt. Als Staatsbeamte werden aufgeführt: ein Forstrat, ein Postmeister und ein Bahnhofsvorstand. Überdies gibt es eine Gendarmeriestation sowie eine Spar- und Darlehenskasse und außerdem
2 Feldhüter und 2 Waldhüter.
In der Forsthausstraße nimmt das Badehaus Kehrer seinen Betrieb auf.
1924–27
Auf dem Schindelberg entsteht der erste Aussiedlerhof, nach seinem Erbauer der „Wackerhof“ genannt. 1927 folgt dann das „Kurhaus Schindelberg“ der Familie Alexander Günther.
1932
Der in die Vereinigten Staaten ausgewanderter Jude Simon Odenheimer stiftet zur Erinnerung an die Nibelungensage und den Mord Hagens an Siegfried sowie zum Gedenken an seine Verlobung den Siegfriedsbrunnen.
Den Entwurf liefert Kunstprofessor Nagel aus Karlsruhe (dem viele Zeichnungen und Gemälde mit Odenheimer Motiven aus jenen Jahren zu verdanken sind).
1932/33
Auch viele Odenheimer laufen zur NSDAP über. In den Wahlen vom November 1932 tragen die Nationalsozialisten mit über 46 % der abgegebenen Stimmen den Sieg davon.
1935
Bei dem verheerenden Hochwasser an Christi Himmelfahrt steht nicht nur die Ortsmitte bis hin zum Rathaus unter Wasser, es ertrinkt auch ein Kind.
1936 ff
Im Frühjahr 1936 erstellen die Odenheimer in einer Gemeinschaftsleistung ihr Schwimmbad, das zum Anziehungspunkt für die Jugend aus Odenheim und Umgebung wird.
In Odenheim hält der Reichsarbeitsdienst Einzug und erbaut sich am Westrand des Dorfes ein aus Baracken bestehendes Lager (1937/38). Neben der vormilitärischen Ausbildung tragen die RAD-Männer aber auch zur Verbesserung von Infrastrukturmaßnahmen bei: So bei der Dränage des Sportplatzes, bei Rodungsarbeiten am Schindelberg, beim örtlichen Straßen- und Feldwegbau. §130&
Die Pläne der Landessiedlung zum Bau eines neuen Dorfes auf dem Schindelberg werden nur in stark reduziertem Umfang verwirklicht. Es entstehen bis zum Beginn der 40er Jahre fünf Gehöfte. Bei dem verheerenden Hochwasser an Christi Himmelfahrt steht nicht nur die Ortsmitte bis hin zum Rathaus unter Wasser, es ertrinkt auch ein Kind.
1936/37
Odenheim nimmt regen Anteil an den beiden Himalaya-Expeditionen seines Sohnes Günther Hepp und dessen tragischem Tod am Nanga Parbat am 14. Juni 1937.
1937/38
Die jüdische Gemeinde, die 1933 noch rund 20 Einwohner umfasst hatte, schrumpft im Gefolge der durch nationalsozialistische Schikanen verursachten Auswanderungen weiter. Geschäfte werden verkauft, Zigarrenfabriken arisiert.
1939
Der Odenheimer Jakob Scheuring wird Europameister im 100-Meter-Lauf und Mitinhaber des Europarekordes in der 4x100-Meter-Staffel.
Mit Ausbruch des 2. Weltkriegs haben die Odenheimer Wehrmachtsangehörigen sowie die letzten Jahrgänge der Teilnehmer des 1. Weltkrieges einzurücken. Weitere Jahrgänge werden gemustert. Die Bevölkerung wird durch Luftschutzkurse auf den Luftkrieg vorbereitet und Lebensmittelkarten werden ausgegeben.
1940/41
Die Synagoge, die bereits seit den 20er Jahren unbenutzt ist, wird abgebrochen. Auch aus Odenheim werden Juden deportiert und ermordet.
1941/42
Mit dem Russlandfeldzug steigt die Zahl der Gefallenen und Vermissten rapide an.
Die Odenheimer Kirchenglocken werden bis auf die kleinste vom Turm geholt und für Kriegszwecke eingeschmolzen.
1944/45
Mit dem Näherrücken der Westfront dramatisiert sich die Lage: Ausgebombte und Evakuierte finden Aufnahme im Ort, der Schulunterricht wird im Oktober 1944 eingestellt, die Angst vor Tieffliegerangriffen geht um. Beim Bombenangriff auf Bruchsal am 1. März 1945 werden 17 Odenheimer getötet.
Am Ostersonntag, dem 1. April 1945, marschieren die Amerikaner in Odenheim ein. Beim vorausgehenden Beschuss stirbt ein 16-Jähriger. Es gibt Verletzte und Gebäudeschäden. Als einige Tage später die Franzosen nachrücken, verbreiten marokkanische Soldaten Angst und Schrecken.
Im ehemaligen RAD-Lager werden nun russische Zwangsarbeiter untergebracht, und es kommt zu Racheakten und Übergriffen. Anfang Juli übernehmen die Amerikaner wieder das Kommando in Odenheim.
Die Normalisierung des Lebens gelingt nur zögerlich. Im Oktober wird der Schulbetrieb wieder aufgenommen.
Die Bilanz des zweiten Weltkrieges in Odenheim: 128 Tote (überwiegend Gefallene) und 74 Vermisste sowie viele Kriegsgefangene.